005 – Einmal ediert, für immer ediert

Woher kommen eigentlich die Editionen im Regal? Und warum würde jemand etwas edieren, was bereits in Edition vorliegt? Diese und weitere Mysterien um die Texte, mit denen wir tagtäglich hantieren, klären wir in dieser Folge auf.

Editionen, die wir ganz selbstverständlich zur Hand nehmen, repräsentieren keineswegs DEN Text, wie er in seiner reinsten Form auf wundersame Weise vom Himmel herabgestiegen ist, sondern im Prozess des Edierens werden verschiedene Entscheidungen getroffen und viel interpretiert, bevor das Endprodukt entstanden ist. Diese Schritte sind jedoch nicht immer wie selbstverständlich auf den ersten Blick sichtbar.

Was ist eigentlich eine Edition? – Ein so aufbereiteter Text, dass man damit weiterarbeiten kann. Ein Service für Leser*innen, damit sie an Texte herankommen, an die man sonst nicht gelangen könnte (da sie beispielsweise nur in Handschriften vorliegen). Entsprechend richtet sich eine Edition jeweils stark nach ihrem Publikum: Vergleiche etwa eine Reclam-Ausgabe, ein Schulbuch und eine wissenschaftliche textkritische Ausgabe.

Wie entsteht eine (wissenschaftliche) Edition? – 1. Die Textzeugen sichten und auswählen (und die Überlieferungslage im Vorwort beschreiben). 2. Den Text (und ggf. zugehörige Glossen, bzw. Randnotizen) lesbar machen, also aus den Handschriften transkribieren. 3. Unterschiede zwischen den Transkriptionen dokumentieren (=> textkritischer Apparat) und gegeneinander abwägen sowie „Fehler“ beseitigen, also einen einheitlichen Text herstellen. 4. Vorbilder und Parallelstellen suchen und angeben. 5. Interpunktion einfügen. 6. Ggf. kommentieren und / oder übersetzen.

Eine schlechte Edition enthält nicht nur (Tipp-) Fehler, sondern, viel schlimmer, gibt nicht Auskunft darüber, welche Entscheidungen seitens des Editors getroffen wurden (also wie sehr eingegriffen wurde)! Es gibt daher verschiedene Gründe, auch einen Text zu edieren, der bereits in Edition vorliegt. Tendenziell kann man davon ausgehen, dass von „klassischen“ lateinischen (also antiken) Texten mindestens eine Edition vorliegt, weil daran einfach schon mehr geforscht wurde, während „mittel- und neulateinische“ (= nachantike) Texte aufgrund der großen Masse größtenteils noch nicht ediert sind. Die Praxis, Unterschiede in der Überlieferung kenntlich zu machen, ist tendenziell eher eine neuzeitliche Entwicklung! Man darf nicht glauben, dass mittelalterliche Schreiber es in ihrer Kopie eines Texts vermerkt haben, wenn sie (bewusst oder unbewusst) von ihrer Vorlage abweichen.

Janas Text stammt aus den 1460er Jahren und wurde von Peter Luder verfasst. Es handelt sich dabei um eine 144 Verse lange Elegie an eine Geliebte „Panphila“, welche jedoch allegorisch zu lesen ist als Aufforderung an den örtlichen Fürsten, Luder finanziell zu fördern. Dieser Text war bereits (fehlerhaft) ediert und wird aufgrund von verschiedenen Mängeln der Erstedition von Jana neu herausgegeben unter Berücksichtigung der Randbemerkungen, da diese vermutlich vom Autor selbst stammen.

Besonders viel Interpretationsspielraum bleibt bei Editionsschritt vier. In Janas Fall wird beispielsweise in allen Textzeugen einheitlich eine grammatisch fehlerhafte Version überliefert – wenn man als Editor eingreift und mittels einer Konjektur „korrigiert“, richtet man sich dadurch gegen die gesamte Überlieferung.

Als Alternative (oder Ergänzung) zu gedruckten Editionen gibt es mittlerweile auch immer mehr digitale Editionen, deren Interface individuell anpassbar ist – man kann beispielsweise die Handschriftdigitalisate mit verlinken oder einfach sämtliche Transkriptionen mitveröffentlichen. Problematisch ist jedoch die Abhängigkeit von Trägern, die die Editionen dauerhaft speichern sowie teilweise auch obsolet werdende Dateiformate – da fehlt einfach noch die zuverlässige Infrastruktur. Ein Buch dagegen bleibt einfach im Regal stehen und wird im schlimmsten Fall über die Jahre etwas staubig, ist dafür aber eben auch nicht von überall einfach zugänglich.

Janas Edition erscheint im Mittellateinischen Jahrbuch. Hier findet ihr das Digitalisat einer Handschrift, in der das Gedicht überliefert ist. (Die Elegia ad Panphilam steht auf 293r-295r, beginnt also auf der rechten Seite der aufgeschlagenen Doppelseite.)

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