Latein kann man nicht nur allgemein gut in der mündlichen Kommunikation verwenden, es lässt sich damit auch problemlos Pizza bestellen. Von wegen Latein spricht man nicht! Lars Wattenberg erzählt uns vom Selbststudium, dem Internet und lateinischen WGs.
Für Lars ist Latein keine logischere Sprache als andere. Weil er unzufrieden war mit seinen Kenntnissen nach dem klassischen Lateinunterricht, suchte er nach alternativen Lernmethoden und ist so zum Lateinsprechen („Latine loqui“) gekommen. Begonnen hat das mit Selbststudium und verschiedenen Online-Ressourcen, bis er sich schließlich bei der Accademia Vivarium Novum beworben und dort neun Monate lang sein gesamtes Leben auf Latein gelebt hat. Als besonders gewinnbringend empfindet er an solchen alternativen Methoden das vom Übersetzen losgelöste Verstehen, wenn man einfache (!) Texte hört oder liest oder eben selbst ein bisschen spricht. Auch für den regulären Lateinunterricht lassen sich solche Techniken nach Lars‘ Ansicht häppchenweise anwenden, indem man beispielsweise einen bereits bearbeiteten Text noch einmal vorliest (sodass er wirklich verstanden wird). Auch wenn in den meisten deutschen Lehrbüchern diese Form Latein zu lernen heute keine Rolle mehr spielt, war das doch bis ins 19. Jahrhundert hinein und damit über viele Jahrhunderte die gängige Lehrmethode (die sich ja auch in den modernen Fremdsprachen durchgesetzt hat)! Man muss also kein Römer sein, um Latein (sprechen) zu lernen.
Ach ja, die Aussprache… Quellen für die jeweils aktuelle (also von Zeitpunkt und Ort abhängige) Aussprache können beispielsweise Transliterationen, also Umschriften in andere Sprachen, sein. Es gibt den so genannten „pronuntiatus restitutus“, der versucht, mit gewisser Sicherheit zu rekonstruieren, wie zur Zeit Caesars und Ciceros (Kaisar und Kikero?) gesprochen wurde. Petrarca hat aber sein Latein mit Sicherheit anders ausgesprochen als Vergil. Es gibt also nicht die eine „richtige“ Aussprache – seid einfach konsequent mit eurem Aussprachemodell (und seid euch dessen bewusst, dass eure Aussprache vermutlich immer anachronistisch sein wird, wenn ihr euch mit Texten aus verschiedenen Epochen beschäftigt)!
Wörter für viele moderne Dinge zu finden in einer Jahrtausende alten Sprache ist oft gar nicht so einfach, aber nicht unmöglich: Die Jungs in der Accademia Vivarium Novum essen zum Beispiel auch Pizza, „placenta Neapolitana“. Oder ob man jetzt beispielsweise von einer Apple-Watch oder einer Sonnenuhr redet, meint man ja immer einen Zeitmesser und kann dafür problemlos das Wort „horologium“ nutzen. Auch Synonyme sind ein Freund: anstelle von „Auto“ kann man auch „Wagen“ sagen und dafür dann das lateinische Wort „raeda“ benutzen.
Notwendiger Bestandteil dieses Wegs, (neu) Latein zu lernen, ist es, ganz im Sinne dieses Podcasts, Fehler zu machen, selbst wenn man Latein schon lange passiv lernt. Das ist normal und gehört dazu! Feiert einfach die Missverständnisse und lacht gemeinsam darüber, wenn lustige Versprecher passieren. Aber denkt dran, Sprache kommt von sprechen.
Ressourcen zum Latein(sprechen) lernen:
Lingua Latina per se illustrata: Buchreihe, in der Latein von Anfang an auf Latein erklärt wird. Es geht los mit einfachen Sätzen wie „Italia in Europa est“ und steigert sich dann langsam. Band 1 heißt „Familia Romana“. Man kann die Bücher beispielsweise hier bestellen. Es gibt sogar Hörfassungen bei Youtube, zum Beispiel von ScorpioMartianus.
ScorpioMartianus: Ein Kanal voller Videos zum Lateinlernen an sich mit Fokus auf Vokabular und Grammatik, aber hier gibt es auch lateinische Fassungen von Disney-Liedern oder eine Startrek-Synchronisation.
Latinitium: Vielseitiges Lernangebot von lateinischen podcast-artigen Videos über den Lernkrimi „Pugio Bruti“ bis zur App „Legentibus„, wo mit kleinem Wortschatz, aber viel Wiederholung in langsam schwieriger werdenden Texten Latein gelernt oder aufgefrischt werden kann.
Latein hören: Hier findet ihr eine Liste von Podcasts auf Latein! Lateinische Nachrichten gibt es übrigens auch aus Bremen.
Orte, an denen Latein gesprochen wird:
Universität Kentucky: Die Universität Kentucky bietet ein Graduate Certificate Program an, in dessen Rahmen alle Leistungen, schriftlich wie mündlich, auf Latein abgeliefert werden müssen.
Polis Institute: Das Polis Institute in Jerusalem bietet Kurse in verschiedenen alten und modernen Sprachen an, unter anderem Latein, und das entweder in Präsenz oder online.
Accademia Vivarium Novum: An der Accademia Vivarium Novum in Italien gibt es Onlinekurse, Summer Schools und die Möglichkeit, mit Stipendium ein akademisches Jahr dort zu verbringen (allerdings nur männliche Bewerber). Finanziert wird das Ganze vor allem über die Einnahmen aus Sommer- und Onlinekursen.
Lateinwochen: Jedes Jahr im Sommer treffen sich Interessierte für eine Woche in Hessen im Rahmen der Lateinwochen.
Es gibt auch viele lokale Latein-Stammtische, schaut einfach mal im Internet!